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Prof. Dr. Matthias Meier übernimmt zum Wintersemester die Leitung der neuberufenen Professur für Zelluläre Biotechnologie am BBZ.

Sie wechseln vom Helmholtz Zentrum München an die Universität Leipzig. Welche wissenschaftlichen Stationen haben Sie auf dem Weg bis zu Ihrem Ruf nach Leipzig durchlaufen?

Ich habe in Regensburg Biochemie studiert und anschließend im Bereich Biophysik an der Universität Basel unter Prof. Dr. Joachim Seelig promoviert.  Als PostDoc an der Stanford University entwickelte ich gemeinsam mit Steven Quake erste mikrofluidische Chip-Plattformen für Zellen und Organismen. Als Stipendiat der Emmy-Noether-Stiftung und als ERC Grantee konnte ich meine Arbeitsgruppe an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und später dann am Helmholtz Pioneer Campus, einem Innovationscampus mit Startup-Kultur am Helmholtz Zentrum München, etablieren.

Welchen wissenschaftlichen Fokus werden Sie am BBZ verfolgen?

Das übergeordnete Ziel meiner Forschung ist es, menschliche Organe mittels Stammzellen außerhalb des Körpers nachzubauen, um metabolische Krankheiten zu simulieren und neue Therapien zu entwickeln. Besonders geht es dabei um die Erforschung der Frage, wie Altersdiabetes, Fettleibigkeit oder eine Fettleber entstehen. Für keine dieser drei sogenannten „Volkskrankheiten“, von denen mittlerweile ein Drittel der Deutschen im Alter betroffen ist, existiert derzeit eine wirksame Langzeittherapie. Klinische Forschung kann nur zum Teil zur Aufklärung der Krankheitsmechanismen beitragen, da grundlegende molekulare und zellbiologische Versuche nur eingeschränkt direkt am Menschen durchgeführt werden können. Das trifft insbesondere auf gentechnische Veränderungen, Medikamententests oder Langzeitstudien zu. Für diese Art von Grundlagenforschung bieten Tierversuche zurzeit die einzige praktikable Alternative. Aus ethischen Gründen, aber auch angesichts der geringen Vergleichbarkeit von menschlichem und tierischem Gewebe bedarf es Ersatzmodelle, die außerhalb des Körpers für Forschungszwecke zum Einsatz kommen können. Hier setzt meine Forschung an: Durch Kombination von Mikrosystemtechnologie und Zellbiologie sollen neue Gewebeaufbau- und Analyseverfahren entwickelt werden, die es ermöglichen, die komplexen Mechanismen von metabolischen Krankheiten zu entschlüsseln.

Sie werden mit Ihrer Professur die Nachfolge der Forschungsgruppe für Molekularbiologisch-biochemische Prozesstechnik antreten, die bis Anfang 2020 von Prof. Dr. Andrea Robitzki geleitet wurde. Gibt es Anknüpfungspunkte an die bisherige Forschungsarbeit der Gruppe?

Die Ausrichtung der Arbeitsgruppe mit ihrer Expertise zu elektrochemischen Biosensoren und den dazu passenden Analytik-Messmodulen passt perfekt zu meiner Forschungsarbeit. Die Entwicklung sogenannter Organ-on-Chip Plattformen ist einer der Schwerpunkte meiner Forschungsarbeit. Dafür werden aus Hautzellen gewonnene, menschliche Stammzellen mittels neuer Kultivierungstechnologien im Zielgewebe differenziert. Durch Miniaturisierung auf die Größe eines Stecknadelkopfes können die Gewebekulturen auf mikrofluidischen Chipplattformen integriert und Versuche sowie Analysen unter kontrollierten Bedingungen automatisiert und parallelisiert werden. Mittels mikrofluidischer Chips können so hunderte von Einflussfaktoren genauso wie aktive Biochemikalien kostengünstig und hocheffizient an den ’Mini-Organen’ vermessen werden. Bei der Herstellung kommen herkömmliche Verfahren wie Fotolithografie oder Ätzverfahren in Reinraumumgebung ebenso zum Einsatz wie neuartige additive Produktionsverfahren (3DDruck). Zur Untersuchung geeigneter Materialverbindungen werden Verbundstudien durchgeführt – in der Regel in chemischen Nasslabors.
Die Infrastruktur der BIO CITY und insbesondere der Methoden- und Gerätepool mit eigenem Reinraum am BBZ bieten gemeinsam mit dem Know-How meiner Mitarbeitenden für mich ideale Voraussetzungen, auf die ich aufbauen kann, um diesen Forschungsschwerpunkt weiterzuverfolgen.
Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf der Analyse des integrierten Gewebes. Hierfür bedarf es neuer Methoden, die es erlauben, verschiedenste Gewebearten auf Einzelzellebene zu beschreiben. Besonders herausfordernd ist dabei die Skalierung dieser Analysemethoden, um die Organ-on-Chip Technologie vollends nutzbar zu machen. Desgleichen sollen die entwickelten Methoden es ermöglichen, die gezüchteten Organzellen auf systembiologischen Ebene zu beschreiben, um Varianzen und Heterogenität zu verstehen und so ernsthafte Alternativen zu Tierversuchen anbieten zu können. Dafür kommen insbesondere mikroskopische und DNA-basierte Sequenzierungsmethoden zum Einsatz. Während für beide Nachweistechnologien bereits Analyseinstrumente kommerziell verfügbar sind, müssen Aufnahme- und Auswertungsmethoden mit Hilfe algorithmenbasierter, selbstlernender Systeme (KI) eigenständig entwickelt werden.

Mit welchen Erwartungen, welchen Zielen starten Sie in die Professur?

Mit der Professur soll ein Brückenschlagen zwischen der Fakultät für Chemie und Mineralogie, der Fakultät für Lebenswissenschaften und der Medizinischen Fakultät geschaffen werden. Die größte Herausforderung wird es sein, ein Lehrkonzept aufzubauen, welches den Studierenden hilft, die Herausforderungen des interdisziplinären Arbeitens im Spannungsfeld des Bioengineerings zu meistern.